6. Februar 2023
Arbeitsrecht

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zum Sonderkündigungsschutz von betrieblichen Datenschutzbeauftragten

Mit Urteil vom 25. August 2022 hat das BAG (BAG, Urt. v. 25.8.2022, Az. 2 AZR 225/20) klargestellt, dass Arbeitgeber verpflichtend bestellte betriebliche Datenschutzbeauftragte nur außerordentlich wegen eines wichtigen Grunds im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB kündigen können. Sie genießen damit einen ähnlich weitgehenden Sonderkündigungsschutz wie Betriebsratsmitglieder (bei denen die Messlatte aufgrund der erforderlichen Zustimmung des Betriebsratsgremiums sogar noch höher liegt). Der Sonderkündigungsschutz der verpflichtend bestellten Datenschutzbeauftragten resultiert aus dem deutschen Bundesdatenschutzgesetz (§ 38 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BDSG in Verbindung mit § 6 Abs. 4 S. 2 BDSG). Aber warum ist dies überhaupt berichtenswert? Nun, einmal natürlich wegen der Schnittstelle von Arbeits- und Datenschutzrecht, aber auch deshalb:

Hintergrund der Entscheidung

Dem Urteil des BAG liegt ein Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung (vom Arbeitgeber vor Eingreifen des deutschen Kündigungsschutzes, nämlich während der sogenannten sechsmonatigen Wartezeit (grundsätzlich keine Kündigungsbeschränkungen während dieses Zeitraums) erklärt) einer betrieblichen Datenschutzbeauftragten zugrunde. Der Arbeitgeber berief sich bei der Kündigung auf eine Umstrukturierungsmaßnahme, die zum Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses für die Datenschutzbeauftragte geführt habe. Die Funktion der Datenschutzbeauftragten sollte ausgelagert und durch einen Externen wahrgenommen werden.

Im Zuge dieses Verfahrens hatte das BAG Zweifel daran geäußert, ob der (weitreichende) Sonderkündigungsschutz für interne, verpflichtend bestellte Datenschutzbeauftragte mit Unionsrecht vereinbar ist und daher ein Vorabentscheidungsverfahren gem. § 267 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingeleitet. Grund der Zweifel war, dass die europäische Norm des Art. 38 Abs. 3 S. 2 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) lediglich ein Abberufungs- und Benachteiligungsverbot des Datenschutzbeauftragten „wegen der Erfüllung seiner Aufgaben“ vorsieht. Das BAG fragte daher, ob der deutsche Sonderkündigungsschutz (unzulässig) über das europäische Schutzniveau hinausgeht und gegen das Gebot der Vollharmonisierung verstößt.

Der EuGH hat dies verneint und erklärt (EuGH, Urt. v. 22.6.2022, Az. C-534/20), dass das Europarecht dem nach nationalen Recht gewährten Sonderkündigungsschutz nicht entgegensteht, sofern die Wertungen der DSGVO nicht beeinträchtigt werden. Vielmehr stehe es den Mitgliedsstaaten grundsätzlich frei, im Bereich des Kündigungsschutzes arbeitnehmerfreundlichere Regelungen zu erlassen, die über EU-Recht hinausgehen. Die nachfolgende Entscheidung überrascht vor diesem Hintergrund nicht, enthält aber doch wichtige „Guidelines“.

Kernaussagen des BAG Urteils

  • Das nach deutschem Recht gewährte Sonderkündigungsrecht verstößt nicht gegen die Wertungen der DSGVO. Der Datenschutz wird durch die Gewährung des zusätzlichen Kündigungsschutzes nicht beeinträchtigt.
  • Der Sonderkündigungsschutz ist auch mit nationalem Verfassungsrecht vereinbar. Insbesondere liegt keine Verletzung der Berufsausübungsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG der Arbeitgeber vor. Es ist zwar ein Eingriff in dieses Grundrecht gegeben, aber dieser lässt sich mit der bezweckten Gewährleistung eines effektiven Datenschutzes rechtfertigen. Der Sonderkündigungsschutz stellt nämlich sicher, dass der Datenschutzbeauftragte seinen Aufgaben effektiv und unabhängig nachkommen kann.
  • Folglich besteht zugunsten der verpflichtend bestellten betriebsinternen Datenschutzbeauftragten ein Sonderkündigungsschutz, der die ordentliche Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses ausschließt. Dies gilt sogar während einer vereinbarten Probezeit und der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz.

Das müssen Arbeitgeber nun beachten

Wichtig ist, dass der Sonderkündigungsschutz nur für verpflichtend bestellte interne Datenschutzbeauftragte gilt. Nach § 38 Abs. 2 BDSG besteht bei freiwillig bestellten Datenschutzbeauftragten kein Schutz vor Abberufung und kein Sonderkündigungsschutz gemäß § 6 Abs. 4 BDSG. Eine Verpflichtung zur Benennung eines Datenschutzbeauftragten besteht lediglich in Unternehmen, die mindestens 20 Personen beschäftigen, die sich mit der Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigen.

Arbeitgeber sollten gut überlegen, ob sie den Weg eines internen Datenschutzbeauftragten (anstelle externer Vergabe) gehen, dieser ist nämlich grundsätzlich unumkehrbar. Arbeitgeber schaffen sich damit eine weitere Gruppe Unkündbarer, denn:

Eine außerordentliche Kündigung scheitert in der Praxis in aller Regel. Die hohen Hürden können faktisch kaum überwunden werden. Zwar ist eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung auch gegenüber verpflichtend bestellten internen Datenschutzbeauftragten nicht gänzlich  ausgeschlossen. So kann eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen wirksam sein, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung nicht besteht und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde. Eine solche Sondersituation liegt aber höchst selten vor.

Eine Befristung als „work-around“ ist gegenüber internen verpflichtend bestellten Datenschutzbeauftragten nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen möglich. Die Befristung der Benennung muss so ausgestaltet sein, dass die Unabhängigkeit und Unbefangenheit des Datenschutzbeauftragten nicht beeinträchtigt wird. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit empfiehlt daher, dass die Befristung eine gewisse Dauer nicht unterschreiten darf und grundsätzlich mindestens 4 Jahre betragen muss. Zudem ist nicht klar, ob ein sachlicher Grund für eine Befristung bestehen muss und was die Anforderungen an einen solchen sachlichen Grund sind. Zur Frage, ob die Befristung zum Zwecke der Erprobung des Datenschutzbeauftragten einen ausreichenden sachlichen Grund darstellt, werden verschiedene Meinungen vertreten. Rechtsprechung oder eine klare behördliche Empfehlung dazu gibt es nicht. Demgegenüber kann das Dienstverhältnis eines externen Datenschutzbeauftragten ohne Weiteres ordentlich gekündigt oder befristet werden. Demensprechend ist eine Beendigung der Zusammenarbeit mit externen Datenschutzbeauftragten flexibel möglich.

Zwar kann der betriebliche Datenschutzbeauftragte von seinen Aufgaben als Datenschutzbeauftragter entbunden werden ohne, dass ihm zugleich gekündigt wird. Hierfür ist jedoch ebenfalls ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB erforderlich.

Außerhalb von Umstrukturierungsmaßnahmen auf Gesellschaftsebene (Verschmelzung) oder Betriebs(teil)übertragungen und dem daraus folgenden automatischem Wegfall des Datenschutzbeauftragten ist die Beendigung der Benennung und des Arbeitsverhältnisses eines internen betrieblichen Datenschutzbeauftragten daher faktisch kaum möglich.

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Walter Born                                       +49 69 768063 382                wborn@cov.com
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Walter Born is a partner in the Frankfurt office. He advises clients on a variety of legal and business issues, with an emphasis on restructuring measures and the negotiation of reconciliation of interests and social plans, outsourcing transactions and German TUPE provisions, employee…

Walter Born is a partner in the Frankfurt office. He advises clients on a variety of legal and business issues, with an emphasis on restructuring measures and the negotiation of reconciliation of interests and social plans, outsourcing transactions and German TUPE provisions, employee data protection, dismissals (mass lay-offs) and related litigation, internal investigations, employee benefits and ERISA litigation. Walter counsels clients on employment advice, including drafting employment, managing directors’ and board members’ contracts and settlement agreements. He also has experience advising on collective labor law matters, and counsels on immigration matters, social security law, enforceability of post-contractual non-compete covenants and many other related matters. Walter Born is Managing Partner for Legal Personnel of the Frankfurt office.

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Dr. Nadine Kramer is a special counsel in Covington’s labor and employment law and executive compensation and employee benefits department. She has many years of experience in advising on labor law aspects with respect to M&A transactions, complex HR topics and reorganizations, especially…

Dr. Nadine Kramer is a special counsel in Covington’s labor and employment law and executive compensation and employee benefits department. She has many years of experience in advising on labor law aspects with respect to M&A transactions, complex HR topics and reorganizations, especially with a focus on negotiations with works councils, and a corresponding networking within the law firm as well. Furthermore, she has a great experience in drafting of social plans, evaluating of pension liabilities and managing labor law-related proceedings, especially with regard to wrongful termination litigations at all levels of seniority and management participation programs.